Annemarie Schnitt: Die Strasse der Gedichte


Junge neue Gedichte (Tei 1) 


Ein Leben mit Gedichten

zwischen Gedichten
hinter Gedichten 
traumstark  
auf ein Mögliches zu


Worauf

läuft alles hinaus
im Leben
wohin  zieht 
es mich weiter
im Auf und Ab

im Hin und Her
wie finde ich
Endgültiges im
Weltgetrieben



Die Zeit 

wie sie dich mitzieht
von Tag zu Tag
von Monat zu Monat
von Jahr zu Jahr
wie sie dich drängt
dein Leben
zu füllen mit Sinn

 


 
Meine Brücke 

über ein bewegtes Meer
ins Glück jungerJahre
kostbare Inselzeiten
Weitsicht zu gewinnen
über den Tag hinaus



Punkte finden 

sich zu befreien vom Chaos
Haltepunkte mitten am Tag
anzukommen im Verstehen

             

         It's all about finding

              the calm in the 
                     calm

 

Die Farbe der Nacht

Verstörenden Bilder
rundum in der Welt
wo ist Hoffnung auf Rettung
wo ein Ohr für den 
Aufschrei der Vergessenen
kein Land in Sicht  
auf der Flucht über Meere
Schicksale hineingefallen
in die Farbe der Nacht


Wie umgehen

mit Unstimmigkeit
möcht anhalten 
im Nachdenken
dem Tragenden
auf die Spur
zu kommen

 

Am Ball bleiben

solange es geht
den Träumen trauen
den geheimen  hinter 
dem trüben Tag

 

90 Jahre

Bin über den Berg
muss nichts mehr erledigen
keine Mails mehr schreiben
nichts mehr organisieren
Letzte Grüße unterwegs
ich bin über den Berg
und winke zurück

 

Die Insel

mein Versteck
zum Abtauchen
 
zum Auftauchen
 
aus den dich weiter 
treibenden Wellen


Ein Zipfel Zeit

Das Leben geht weiter
über Zeiträume hinaus
in ein Unendliches
Uferloses
was dir zufällt
ist ein Zipfel Zeit
anzuhalten das
Unanhaltbare

 

Im Gespräch bleiben

heißt leben
im Austausch von Fragen
auf der Suche nach Antwort
im offenen Raum
wo aller Fragen Versteck
wo Rätsel hausen zuhauf
wächst Verstehen dir zu
im Anhalten im Aufhorchen
hinüber  herüber

Es gibt sie

die poetische Wahrheit
hinter der Wahrheit der Welt 
die andere Sicht der Dinge
die dich bannt  dich wach hält 
die  das Leben neu rundet


Poesie

das beflügelte Wort
das aus der Luft gegriffene
das freigesetzte 
zum Flug in alle Winde


Poetisches Schreiben

festgehaltene Gedanken
gefügt zur Form 
im Vers


Der Glückliche

ein Träumer
im Lächeln am Morgen

im Aufblick zum Himmel 

im Lauf durch den Tag

im Unterwegs mit den
fortziehenden Wolken


Amos Oz

 wie es ihm gelingt

dir die Augen zu öffnen
 
für die Vielfalt der Welt
 
für Irres und Wirres
 
Mehrdeutiges Eindeutige

Fragen und Antworten
 
im Rückzug hinter den Tag

wie es  ihm gelingt 
dich 
anzuhalten
zum Zwiegespräch
 
im stummen Gegenüber


Begegnungen  heute

wie ein Sich-streifen



im Weitergehen 

wie ein Winken 



hinüber  herüber
 


im blasses Erinnern 


an die Festung Gestern 




hinter dem offenen Heute


Nischendasein

Es ist die Nische

die dein Zuhause ist

in der du dich sammelst

aus der du herauswächst

in die turbulente Welt

es ist die Nische

in die du    so es gelingt

zurückfindest zum 

eingesammelten Sein


Das Gebet

ein Prozess
eine Haltung
ein Anhalten
im Selbstgespräch
als Gespräch mit Gott

Atempausen

im Galopp der Zeit
dein Anhalten
im Winkel des Schweigens
in der Nische des Nichts
im Leerraum der Ruhe
einzufangen die Stille
hinter dem Sturm


Erinnerungen

wie sie dich umtreiben 
ein Leben lang
dich überraschen  überfallen
bedrücken und beglücken
dir Gegenwärtiges und Vergangenes 
in Einklang bringt
zum stimmiges Leben


Was ist es

das dich bewegt
das dich am Leben hält
welche Fragen treiben dich weiter
wie viel Antwort fällt dir vom Himmel
wie viel bleibt hängen im Raum
es ist das Ungelöste das dich drängt
Lösung zu finden im Weiterlauf



Totgelaufen

vieles läuft sich tot
im Zug der Zeit
Flammen verlöschen
Flüsse versiegen
Nähe löst sich auf
suchst  du Bleibendes
bleib auf der Suche 
nach dem Beständigen

 

Mein Ostertraum

eines Tages
herrscht  Windstille
hinter dem Sturm
wächst ein Lichtstrahl 
im Tunnel der Fragen
fällt  Antwort dir zu
im Fortgang der Dinge
eines Tages 
stehst du auf  um
leichteren Fußes 
weiter zu gehen


Dein Flug zurück

Immer sind wir unterwegs
wagen Kühnes
träumen uns weitersuchen ein Ziel
lassen uns tragen
durch Lüfte
im blinden Vertrauen 
aufgefangen zu sein


Alles was  läuft

läuft langsamer heut
wenn du am Stock läufst!
mit einem dritten Bein läufst 
du noch weit in den Tag hinein


Augenblicke

wie warme Impulse
zum Neuanfang
eine Begegnung ein Bild
ein Buch eine Melodie
dich wunderwirksam  
zu  verwandeln


(Diese Kunst
sich ein Engel-Sein
zu entlocken
auf stolpersteinigen Wegen)

                                          

Wie fasst du Fuß

wo kommst du an                                                                                                                                                                                                                       
wirft Vielfalt dich um 
wird sie dein Zuhause
auf den Wegen voran
stolperst du oder wachsen 
dir Flügel zum Flug
ins Gelingen?


Masche um Masche

mit runder Nadel  
strickst du an dem dir
geschenkten Leben 
Masche um Masche   
auf dass es gelinge
fängst sie auf   die
verlorenen Maschen
versuchst ihn zu halten
den verlässlichen Faden 
bleibst dran solange du
atmest träumst und denkst  
mit runder Nadel
zu stricken am Leben


70 Jqhre nach Auschwitz

Unauslöschbar
die lähmende Erinnerung 
an den Sturz in die dunkelsten 
Abgründe menschlichen Seins   
wer könnte sie je trocknen 
die Tränen der Trauer
wer findet den Ton den befreienden   
nach Angst und Nacht  und Not    

Wir reichen ihn weiter den Stab der Erinnerung
als Friedensstab von Geneation zu Generation


Wo  kmmst du an

nach all den Jahren 
den Tagen und Nächten
unter Sonne und Mond
nach Wachsein und Schlaf
nach Wonne und Weh
wohinaus ziehen dich
die Flüsse des Fleißes
des Denkens des Erkennens
Wo münden sie fernab im 
Meer der Hoffnung


Der Weitblick 

als Rückblick
auf Generationen  


im Wandel der Zeiten


Der Weitblick  


als Hoffnungsblick


auf Zukünftiges


 

Man müsste

ja man müsste mal 
aus seinem alten Kleidern
steigen in ein neues Gewand
mit freundlicheren Farben
mit besserem Sitz
leichter zu knöpfen
dich wärmer umhüllend
auf unsicheren Wegen
sicherer zu gehen 
auf Zukünftiges zu

             „Je  suis Charlie!“

              Ich bin der andere
              bin plötzlich konfrontiert
              mit Schicksalhaftem   steh
              fassungslos am Straßenrand
              erlebe über Bilder den
              vielfachen Brudermord
              steige aus meiner Haut
              bin plötzlich nicht mehr ich
              bin der andere

 

Moment mal

wie geht es weiter
Verwirrende Bilder
rundum in der Welt
Fragwürdiges   wohin 
du schaust Brüchiges
unter den Füßen  kein
neuer Wein mehr in
alten Fässern  zu feiern 
ein Fest der Freude


Türmen Steine

sich  zuhauf
schwing kühn
dich obendrauf
halt Ausschau du
in alle Winde
wo ein guter Weg
sich finde


Wo ortest du dich

im Dschungel der Eindrücke
im Kunterbunt des Alltags  
im Netz der Möglichkeiten 
wie gehst du dir nicht 
selbst verloren in der 
Vielfalt der Welt
wie findest du 
eine Wegmarkierung 
zum Weitergehen
zum Ankommen
am Abend des Tages


Ein Gedicht
losgelöst im Raum
tanzende Gedanken
wie bunte Blüten 
gebunden zum Strauß


Gedichte

wie Zugvögel
dich mitzuziehen
in  wärmere Zonen

 

Wie Erntezeit

das Alter
wie Wink und Abgesang
neu   dein Zeitgewinn  am
Ende  turbulenter Tage
nach allem Bergauf das
Ankommen hinter dem
angebundenen Tag 


Das war Fehmarn

meine Insel-Oase
ein Platz 
zum Träumen
zum Denken 
zum Untertauchen
zum  Auftauchen
unter dem weiten
dich vorwärt
ziehenden Himmel


Was bleibt von alledem

vom Gesang des Sommers

vom Bunt des Herbstes

von der Wegstrecke Winter

dein Lachen bleibt    deine 

Zuversicht     wie ein Zuhause

hinter der fortfliegenden Zeit


Das Schicksal

dein Geschick    mein Geschick
was ist es   das Schicksal
das unser Leben beschickt
sich einzeichnet in dein Sein
das Schicksal
dem keiner entrinnt
dem du gewachsen sein musst
mit wachem Kopf  mit klaren Sinnen


Zu Weihnachten

die eigene Nische finden
in dieser gewaltig großen Welt
den Raum des Ankommens 
unter dem weiten Himmel
die Hütte des Aufgehobenseins
im turbulenten Hier und Heute
den geheimen Ort im Dasein
den Wunder-wirkenden


Fragen zu Neujahr

Wo bettest du sie ein
die Sorgen
die den Tag  umstellen
die Fragen 
die nach Antwort suchen
die Ängste
die dich lähmen
wo wächst der Mut dir zu
über Schatten zu springen
die den Weg  dir verdunkeln


Der Weg in ein hohes Alter

ein Weg in die Wüste
anzukommen hinter dem Tag
dir nicht verloren zu gehen
im turbulenten  Vielerlei
Paradieswege zu entdecken
im Anhalten   im Weitergehen
über das Gestern hinaus 
im Rückzug   in der Stille  dir
neu zu erschließen das Leben


Nichts ist mehr  

wie es einmal war, 
nichts bleibt alles bleibt 
im Kommen im Gehen 
im Gehen und Kommen
nenn mir Beständiges
hinter den Dingen
etwas Lohnendes
anzuhalten und
weiter zu gehen mit
dem Zukunftsblick 
der Hoffnung 


Der Rückblick

wie weit reicht er
der Rückblick
auf die Zeit 
die vergangene
der Erinnerungsblick
auf das Leben  dass er
zum Weitblick werde
dich neu zu orten


Eine Weile noch bleiben

nah am Wort


im Spielraum der Sprache


im Lichtkreis der Sonne

zu erwärmen die Stirn


Verborgenes heimlich


zum Blühen zu bringen

 

Die Reise in ein neues Land

Und eines späten Tages 
losgelöst vom Vertrauten
brichst du auf über Grenzen
über Gestriges und Festgelegtes 
gewinnst Freiheit in neuen Gefilden 


Wohin

mit den Sorgen den lähmenden
die den Weg dir versperren
in den neuen Tag
wohin
mit den Fragen den dunklen
die drohend wolkenschwer
über uns  hängen
worauf läuft alles  hinaus 
wie denn gelingt es
die Nebel zu lichten
Fußspuren zu finden     
in Zukünftiges

 

Slam-Versuch

Wie du stolperst  wie du stöhnst

wie du trippelst wie du wankst 

wie du taumelst wie Du tanzt 

wie du auf der Stelle stehst 

wie du suchst in allen Ecken 

neue Worte zu entdecken

 

Zuweilen

zerreißt es dich
landest du im Loch 
mitten am Tag
ohne Aussicht 
ohne Lichtblick
bis ein Gedanke
ein heller dir hilft
über die Hürde 

Find a place inside where there’s joy,

and the joy will burn out the pain.

Joseph Campbell

Es gibt ihn

den Weihnachtsblick
den Vom-Himmel-hoch-Blick
des Engels aus weiter Ferne


auf die im All verlorene Welt


den Blick des Engels
auf den Menschen


den umher irrenden


den Herberge suchenden


es gibt ihn

 
den Vom Himmel-hoch-Blick
als Lichtblick für dich


Das Ankommen 

bei dir selbst
nach allem Auf und Ab
nach Zweifel und Fragen
nach Dämmer und Dunkel 
Tumult und Träumen
Licht und Lachen
nach Graben nach Grübeln
das Ankommen bei dir selbst
auf geheimen Fußspuren 
des Friedens



Ein Tag wie kein anderer

Begegnung mit dem Nachwuchs
im jahresschönsten Sonnenschein
Prüfungsfeier Lachen Spiel Gespräch    
mit kleiner festgehaltener Quintessenz: 
Ja, wenn ich denn    
ab und zu mal bete
dann  fühle ich mich richtig gut


Immer wieder neu

Abschied nehmen  ein Leben lang
immer wieder neu  der Versuch 
anzukommen  ein Leben lang
zwischen Abschied und Neuanfang
deine Tage im Fluss der Zeit
wie sie aufleuchten und verblassen 
wie es  dir gelingt anzukommen
immer wieder neu
im Lichtpunkt Neuanfang

 

Dazu stehen

ein Einzelgänger zu sein
sich nicht in der Zeitmühle
zermahlen zu lassen
nicht festgelegt zu werden
sich frei zu fühlen
im Bewegen im Denken
im Tun im Glauben 
in der Gewissheit
alle Freiheit in Gott
verankert zu wissen  


Diese Übereinstimmung
die leise
mit der Welt
der Poesie
hinter dem Tag
dem lauten


Wo stehst du heute
was bleibt
was hat Bestand
im Wirbel der Welt
was treibt dich weiter
wie wächst du über dich hinaus
in die Weite versöhnender Weisheit


Meine Freunde
die Worte
wie nahe Wesen

unterwegs mit mir

durch Wind und Wetter

Gedanken
gebündelt
 zum Strauß

Worte wie Blüten
festgehalten
im   Gedicht

Es kommt eine Zeit                  

da fährt das bunte Leben               
davon wie ein Zug                          

in ungeahnte Ferne                        
du winkst ihm nach                       
stumm und staunend                     
und du hältst an                             

ein verwurzelter Baum
am stillen Fleck

In jungen Jahren

Der Versuch 

freihändig zu radeln
querfeldein
in späten Zeiten
der Versuch
freihändig zu gehen